Lika:
Ja, das stimmt. Das ist ein sehr lebensfrohes Land und liebevolles Volk. Sehr freundlich und gastfreundlich. Dies ist natürlich das, was jeder liebt in Georgien, wenn er das erste Mal kommt. Es ist eine wirklich herzliche Atmosphäre dort. Aber es fehlen sehr viele organisatorische Sachen und das wissen aber alle selbst. Wahrscheinlich überlegt man nicht immer, dass man sich anstrengen, arbeiten sollte. Das ist vielleicht nicht die erste Sache, woran man denkt, wenn man aufsteht – nicht überall, aber bei den meisten. Und in erster Linie wird wahrscheinlich direkt daran gedacht: wie kann ich eine angenehme Atmosphäre für mich schaffen! Und dann erst wird überlegt: ja vielleicht sollte ich heute arbeiten. Das ist die Problematik. Aber wenn man oft mit anderen Ländern kommuniziert – die Gesellschaft nicht mehr so geschlossen ist und sich in Richtung Europa öffnet – kann es gut sein, dass es sich positiv entwickeln wird. Die Menschen werden verstehen, dass eigentlich das Leben nicht nur aus Urlaub und Erholung besteht, sondern auch konstruktives Arbeiten nötig ist. Sonst entwickelt sich das Land nicht.
Tilo:
Und auch der Mensch nicht!
Lika:
Und wenn der Mensch sich nicht entwickelt, entwickelt sich auch das Land nicht.
Tilo:
Und wenn man als Künstler erfolgreich sein möchte – unabhängig davon, ob man jemals damit viel Geld verdienen kann, aber alleine auf den großen Bühnen zu stehen oder ein breites Publikum zu haben, was einem begeistern zuhört – geht nicht ohne strukturierte Arbeit, immer wieder üben und dazulernen, experimentieren, sich neue Dinge erschließen, mit anderen Menschen kommunizieren, neue Ideen aufgreifen und versuchen umzusetzen. Ohne dieses Tun wird es natürlich keinen Erfolg geben. Das ist vielleicht dieser Vorteil, wo sich zwei Kulturen Welten zu einer Welt zusammenfügen. Auf der einen Seite das Emotionale und Herzliche, das Musikalische und Talentierte, auf der anderen Seite dann auch das sehr professionelle, strukturierte Arbeiten am eigenen Ziel. Das ist unverkennbar, wenn man dir einmal zugehört und deine Musik erfasst hat. Du hast mit relativ jungen Jahren nun schon sehr viel erreicht. Was darauf schließen lässt, dass du engagiert und ambitioniert mit klaren Vorstellungen arbeitest, einfach mit Begeisterung und Leidenschaft für deine musikalische Passion – bis in die Haarspitzen hinein glühst. Stimmt das so?
Lika:
Ja, also diese Begeisterung und Leidenschaft hatte ich immer. Ich hatte immer für mich selbst ganz klare Ziele. Das ich nur eins machen will, und das ist Klavierspielen. Ich hatte Konzerte und Publikum und alles war schön, aber etwas später, in Deutschland, habe ich dann dazu noch diese Disziplin bekommen – dass man während der Arbeit noch sehr viele verschiedene andere Dinge erst wahrnehmen muss. Und das macht wahrscheinlich das Erreichen des Ziels ein bisschen einfacher, wenn man im Kopf weiß in welcher Zeit man was machen muss. Oft kann man einfach dasitzen und üben, auch wenn man gar kein Klavier hat. Auch ohne Instrumente üben zu können ist total wichtig. Für guten Erfolg bedarf es all dieser Komponenten.
Tilo:
Ja. Das eine ist das Durchdringen – auch intellektuell durchdringen, was ist in dem Stück zu tun, wie kommt das Stück rüber, was muss ich ausdrücken – und es dann handwerklich durch das Spielen umzusetzen. Das ist die Symbiose, die sich ergibt. Etwas erst zu durchdenken, zu erarbeiten und dann in Reinkultur, in Präzision auch auf den Tasten umzusetzen und das Publikum zu begeistern ist wahrscheinlich ein permanenter Prozess.
Lika:
Man lernt die Musik – wenn ich zum Beispiel ein Stück spiele, irgendwelche Klavierkonzerte, lebe ich in dieser Musik jederzeit. Immer wieder habe ich verschiedene Ideen, auch wenn ich irgendwo sitze oder unterwegs bin. In dieser Vorbereitungszeit gibt es nicht nur Übungszeit. Im Schlaf manchmal kann ich aufwachen und was Neues und Interessantes in einem bestimmten Stück finden. Es ist permanente Arbeit. Man denkt darüber immer nach und lebt diese Musik, diesen Zustand bis man das Werk aufgeführt hat. Dann kommt wieder was anderes, aber das ist nicht nur stundenweise so, sondern rund um die Uhr.
Tilo:
Das ist der Spruch, den man jetzt so schön sagen kann: der Künstler oder der, Mensch, welcher freischaffend tätig ist, der lebt seinen Beruf. Er ist permanenter Bestandteil des Lebens und nicht auf acht Stunden begrenzt, man geht nicht morgens hin und abends nach Hause und dann ist das Ding erledigt, sondern man ist immer beschäftigt und es gehört zum Leben wie Essen und Trinken und ist jederzeit vorhanden – ob morgens, abends, in der Nacht. Musik machen, für Musik zu leben.
Lika:
Ich denke das ist wichtiger als diese praktische Übungszeit. Die praktische Übungszeit ist natürlich für die Qualität wichtig, um die ein oder andere Stelle und andere Varianten noch überzeugender zu machen. Die Hauptsache ist jedoch, dass diese Stimmung über den ganzen Tag läuft. Dass man darüber nachdenkt und innerlich diese Stimmung hat – das ist das Wichtigste. Ohne das, nur mit praktischer Arbeit, würde es gar nichts bringen. Man muss in dieser Musik leben und die Musik – im Pianist.
Tilo:
Ja. Nicht ein Abspielen oder Nachspielen sondern es kommt von innen und so kann ich es zelebrieren und dann kann ich es umsetzen und auf die Tasten bringen. Aber wenn es innen nicht brennt und das Feuer nicht lodert, ist es ein totes Kapital oder ein Nachspielen – dann lebt es auch nicht auf der Bühne und bringt keine Faszination.
Lika:
Das Publikum wird das merken.
Tilo:
Das Publikum spürt es.
Lika:
Spürt es unbedingt.
Tilo:
Und das macht deine Auftritte so interessant, weil man das eben genau spürt. Da ist diese handwerkliche Perfektion, aber darüber hinaus natürlich auch dieses Versprühen von Emotion, die wahrnehmbare innere Leidenschaft.
Lika:
Genau. Man muss jedes Detail, alles was man macht, alle Kleinigkeiten, auch wirklich innerlich durchleben. Nur dann ist es interessant, überzeugend und macht dem Publikum wunderbaren Spaß zuzuhören. Weil man das als eigenen Teil von sich zeigt und nicht irgendein Nachspiel.
Tilo:
Es reicht wahrscheinlich nicht, ein Stück was jemand mal geschrieben hat einfach weiterzugeben – nein, das muss umgesetzt werden, es muss leben, es ist ein Transformationsprozess: das was der Komponist sagen wollte, wie ich es als Musiker empfinde und wie ich es meinem Publikum weitergeben möchte. Das ist eine ganzheitliche Arbeit und für ein gutes Ergebnis, muss es so funktionieren. Das ist jetzt sehr interessant, weil ich gehört habe, dass eine CD-Produktion ansteht. Es ist an der Zeit auch noch andere Menschen oder einfach mehr Menschen zu erreichen, die vielleicht bis heute noch nicht die Gelegenheit hatten, dich mal live zu erleben. Wann ist das Projekt geplant?
Lika:
Ja, alle erwarten diese CD schon sehr lange Zeit. Ich werde meine speziellen Stücke, meine Lieblingsstücke aufnehmen, die ich auch bei Konzerten oft gespielt habe und die beim Publikum großen Anklang gefunden haben. Das wird jetzt aufgenommen Ende Juli und dann wird Ende Januar 2018 produziert. Es wird mehrere Konzerte für die CD-Präsentation und weitere Live-Konzerte geben. Das kommt dann alles nächstes Jahr.
Tilo:
Sehr schön. Dann würde ich auch einfach noch danach fragen wollen was an großen Zielen ansteht, die du definiert hast? Oder Planungen für die nahe Zukunft? Oder was ist vielleicht schon als abzusehendes erfreuliches Ereignis in der Warteschlange? Hast du spezielle Dinge, die du umsetzen möchtest?
Lika:
Ja. Ich muss sagen ein ganz wichtiges Projekt ist für mich, dass 2018 ein Konzert stattfinden wird, ein Gedenkkonzert für Nicolas Economou – das war ein sehr bekannter Pianist aus Zypern, der in München gelebt hat, ein sehr guter Freund und verehrt von Martha Argerich. Es wird ein Konzert geben im Prinzregententheater, wo Martha Argerich auch selbst spielen wird. Und ich habe die Ehre mitzumachen. Ich werde ein Solostück aufführen und vielleicht noch was anderes. Das ist das wahrscheinlich Wichtigste, was ich jetzt sehr ungeduldig erwarte.
Tilo:
Und so werden wir wahrscheinlich noch einiges von dir zu hören und zu sehen bekommen. Ich bin fest überzeugt, dass du alle Chancen nutzen wirst, um noch viel Großartiges zu leisten. Ich wünsche dir von ganzem Herzen viel Glück und Erfolg. Dankeschön für dieses Gespräch.
Lika:
Dankeschön.